Dezember 2007


groß stand der engel
groß und rot und verloren
verdorben der glanz seiner schwingen
am stadttor stand er und schwieg
ein schweigen groß wie der mond
verwahrlost sein lächeln
daß keinem mehr galt
verdorrt sein goldener blick

wortlos und groß
ein zorniger hirte
verloren am tor
zeitkrank und ortsfremd
so stand dort der engel
er fror das gefieder
wärmte nicht länger
wärmte noch nie

zorn ist kein obdach
blutrot die hände
rostig die klinge dolch oder sense
die schafe verstreut verworfen die horde
tote wolle durstiges fleisch
das purpur der hufe
verborgen die sanften die zartgliedrigen hände
engel haben keine krallen

da stand er und hoffte
noch lange

Juli 2005

wenn meine stirn
die sterne aufspießt
wie schmetterlinge
wenn meine zähne
den mond zermalmen
maikäfer flieg
ragt doch mein herz
als segel in die nacht
mit welchem netz
läßt sich die spinne fangen
und welche rose
betört die eintagsfliege
ameisenblut
und wurmgedanken
liebeskokon
und tau



29. Januar 2005

 

Buchhandlung

streift dein Blick
mich
mit seinem Gefieder
hauchen deine Blätter
vergib und nimm mich
weiß ich nicht
soll ich
dich
lesen und schlafen
oder mit dir
oder in dir
tasten

Gemälde für Sturm und Erinnerung
ich kauf dich
schenk dir mich

     

27. Jänner 2005

Anden

berg der gefrornen kondore
salzschiff auf schrundigen hufen
eiszungen hungrig und heilsam
fleischlose flöte
sonnauge lidlos
reißt mir die schwelle vom leib
die lunge den sternhunden vor
fraßopfer freiheit

 

30. Dezember 2004

sturzumsturz
schlagumschlag
vollvornüber
mut schlag
sturm flut
sturz blut
herzwärts stumm

   

9. Mai 2004, spätnachts (nach dem Zoobesuch)

MEIN FLEISCH
BRENNT NACH
EINEM FETZEN
DEINER HAUT
MEIN HERZ
HUNGERT NACH
DEM LEUCHTEN
DEINER AUGEN
MEIN GEIST
BEFIEHLT BEIDEN
SCHWEIGEN UND
ARMUT

   

 12. März 2004

 

Könnt ich schlafen
Würd ich von dir träumen
So lieg ich wach
Und brenne
Und sehne
Mich zu dir
Zu deinen küssen haaren vogelaugen
Und kleinen vogellauten

Mein herz ist aus papier
Und zerrissen in zwei hälften
Nun schlagen sie beide
Raschelnd mit zerfransten rändern
Eine für dich
Und eine für dich
Und dazwischen

Das blut
Und die asche
     

6. November 2003

Abschied

Schwalben sammeln sich
in Deinen Haaren
auf Deinen Schultern
sind schon Segel aufgespannt

ein grauer Windhauch
kräuselt Deine Stirn
in Deinen Augen schwimmen Wolken
aus Papier

ich greif nach Deiner Hand
und greif ins Meer

nur an den Fingerspitzen
bleibt
ein wenig Salz
ich reibs mir in die Augen bis es brennt

24. Oktober 2003

 

 Africa

ich pflanz dein Lächeln
in den Garten meiner Träume
ich düng es mit dem Saft
der Trauerkirsche
mit blauem Salz
und Schwefelhonig

und wenns dann blüht
im Winter meiner Träume
dann springt das Eis
und Kälte
wird Gesang

   

 23. September 2003

wenn du strahlst, 
leuchtet meine seele.

wenn du regnest, 
tropft mein herz.

wenn du stürmst, 
fliegt mein geist.

wenn du träumst,
kann ich schwimmen.
     

 

23. Juni 1990

 

St. Stephan, Wien

 

Himmelspranke
ins Stadtherz geschlagen
dem Tod ins Gesicht

zwischen filigranen Krallen
aufrechten Schädels
Menschensgewimmel

(hoch droben
unerhört
schlängeln sich Gesänge)

     

 

 

 

 

3. Februar 1990

 

Ich bin ein Wort
an Gottes Antlitz hingebrüllt
Ich bin ein Stein
Ihm ins gefrorne Aug geschleudert
Ich stürze ab
und fall durch alle Wolken
und keil mich ein
ins hungerweiche Erdgrab

    

28. Dezember 1989

 

kauernde katze
von blinden blitzen
versengt
spannt sich geschmeidiger leib
zu federnder klinge

augen sind trichter
die trinken begierig
bittere milch

im käfig der rippen
hungert ein schnurren
aber der wartenden hand
knistert entgegen das fell
gesträubt in hilfloser
strenge

     

15. Dezember 1989

Titel

Spur
mit roten Stiefeln
ins Gehirn gestampft

Ein Faden
sperrt den Eiter
in die Wunde

22. November 1989

Ein grauer Faun erfriert auf einem Felsen
Stumpf ist sein Fell und seine Hufe rissig
Aus seiner Flöte wird kein Ruf mehr dringen
Er selbst hat sie vor langer Zeit zerbrochen
Mit leeren Augen schaut er in die Tiefe
Mit leeren Händen schreit er nach der Sonne

Der graue Faun hat seinen Traum verloren
Er weiß nicht mehr was er noch singen sollte
Er weiß nicht mehr ob er geboren wurde
Mit tauben Ohren lauscht er in die Stille
Kein Laut erreicht sein staubumhülltes Herz
Er wartet klaglos wunschlos ohne Ziel

Und Sehnsucht ist ein grauer Fetzen Nebel

 
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